Rinderpestdiagnose
Nebensächlich und überraschend
1964 war ich, damals 33jährig, als junger Gastwissenschaftler für ein Jahr an einem französischen Institut zur Rinderpestforschung in der Republik Tschad in Afrika. Ein Projekt der EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Vorläuferin der Europäischen Union) befasste sich mit der möglichen Abtötung des Rinderpestvirus durch sanftes Erhitzen („Pasteurisierung“) von Rindfleisch. Die Einfuhr von Rinderpestvirus nach Europa, – auch zu Forschungszwecken – , war durch internationale Abmachungen strikt untersagt, – ebenso der Import jeglichen Gewebes von Wiederkäuern aus rinderpestverseuchten Ländern.
Nachteil: ohne Virus und ohne diagnostisches Rinderserum konnte man bei Rinderpestverdacht im seuchenfreien Europa keine spezifische Diagnose erstellen. Also musste man nach Afrika. Oder man suchte nach einem Test auf der Basis des mit dem Rinderpestvirus antigenetisch eng verwandten Masernvirus des Menschen. Für die Maserndiagnostik hatte Frau Dr. Enders-Ruckle am Staatlichen Medizinischen Untersuchungsamt in Stuttgart ein ganz einfaches diagnostisches Verfahren entwickelt (1956 – 1958 arbeitete ich im selben Gebäude in Stuttgart, jedoch am Staatlichen Tierärztlichen Untersuchungsamt). Sie spaltete das in Gewebekultur relativ rein gezüchtete Masernvirus durch einen lipidlösenden Vorgang und brachte es so zur Eigenschaft, rote Blutkörperchen von bestimmten Affen zu verklumpen. Wurde diesem Reaktionsgemisch Serum mit Masernantikörpern beigemischt, unterblieb diese Verklumpung, was mit dem bloßen Auge im Reagenzglas leicht abzulesen war. Wie wir dann in Afrika feststellten, entwickelten die meisten rinderpesterkrankten Tieren noch vor dem Tod nachweisbare Serumantikörper gegen das verwandte Masernvirus. Wir publizierten diesen Test als „privates“ Nebenprodukt meiner Tätigkeit in Afrika. Und das war es dann. Nach meiner Rückkehr nach Deutschland befasste ich mich wieder mit völlig anderen Viren.
Ungefähr 25 Jahre später traf ich im Internationalen Tierseuchenamt in Paris zufällig Prof. Dr. Gordon Scott, der mir als Rinderpest-Weltexperte der „Food and Agriculture Organization“ der Vereinten Nationen (FAO) bekannt war. Er überschüttete mich mit großem Lob zu diesem Test. Erst jetzt erfuhr ich, dass die FAO diesen Test in der Massenanwendung erprobt und in ihr Standardbuch zur Rinderpestbekämpfung aufgenommen hatte.
„Konrad, Dein Verfahren haben wir als Herdentest millionenfach bei der Ausrottung der Rinderpest auf dem indischen Subkontinent eingesetzt. Er war ein Schlüssel zum Erfolg“ – so wörtlich Gordon Scott.
Ich genoss diese Überraschung und die Tatsache, dass mein Forscherjahr 1964 im Tschad keineswegs vergebens war, – im Gegensatz zum eigentlichen Zweck meines Aufenthaltes, der außer neuen Erkenntnissen nichts Positives für die Praxis erbrachte.
Literatur:
„Virologie – Une réaktion sérologique rapide de mesure des anticorps antibovipestiiques“, Bögel, K., G. Enders-Ruckle et A. Provost, C.R. Acad.Sc.Paris, t. 259, p. 482-484, (15 Julliet 1964) Groupe 13.
„Measles virus haemagglutination-inhibition“, Manual on the Diagnosis of Rinderpest, 2nd Ed., Page 81, Anderson, J., T. Barrett and G. R. Scott: FAO Rome (1996)