Vorwort

Vorwort

Forscher gehören zu einer Berufsgruppe, in der persönliche Leistung und Anerkennung in ganz besonderem Maße forciert und honoriert werden. Gleichzeitig wird von diesen Menschen ein Höchstmaß an Selbstlosigkeit und Dienstbereitschaft für die Allgemeinheit erwartet. Die damit verbundene Spannung durchlebt der Forscher in vier sozialen und wissenschaftlichen Bereichen:

  • dem kollegialen Umfeld der Aufrichtigkeit, des gegenseitigen Vertrauens und der oft selbstlosen Unterstützung und Zusammenarbeit.
  • dem Umgang mit immer neuen, faszinierenden Techniken und deren Beherrschung in Labor und Praxis.
  • dem reinen Denkprozess und Umgang mit Fakten, Wissen, Darstellung, Analytik, Chancen und Risiken bis hin zur Synthese, Erkenntnis und Erkenntnistheorie und Religion.
  • der Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis inklusive Schulung (Lernen und Lehre).

Selten lässt sich voraussagen, welche Entdeckung wirksam und gewürdigt wird. Erst ein Rückblick über Jahrzehnte lässt dies erkennen. Denn die meisten Ergebnisse fließen rasch in die Anonymität der wissenschaftlichen Entwicklung ein. Nur wenige Einzelleistungen bleiben heutzutage mehr als 10 Jahre lang mit dem Entdecker bzw. Initiator sichtbar verbunden. Und dabei kommen neben dem persönlichen Interesse in starkem Maße der Zeitgeist und die Zufälligkeit ins Spiel. Auch wegbereitende Bausteine und Wissenskomplexe sind rasch von neuen Erkenntnissen überflutet.

Meine Erinnerungen lassen mich vorzugsweise zu belastenden Ereignissen und extremen Kuriositäten zurückgleiten. Sie sind mit stärksten Gefühlen verbunden. Weniger emotional, aber mit bleibendem Wert haben sich in meinem Gedächtnis Programme und Institutionen verstetigt, welche ich in meiner Position gestalten durfte und die jetzt in anderen Händen liegen. Schließlich folgt die Erinnerung an experimentelle Arbeiten. Während die faszinierende und leidenschaftliche Forschungstätigkeit im Labor einen Großteil meiner Lebensarbeitszeit ausfüllte, erscheinen mir heute, 50 Jahre später, kaum noch mehr als 5% der Veröffentlichungen erwähnenswert.

Konrad Bögel, 24. August 2018