Gründung des WHO-Mediterranean Zoonoses Control Center (MZCC) um 1975

Das MZCC in Athen war meine persönliche Idee und WHO-Initiative. Es wich von den damaligen Normen für WHO-Zentren ab, wurde aber von meinen Vorgesetzten in der WHO ohne Wenn und Aber abgesegnet. Das übliche "WHO Collaborating Centre" (WHO-CC for...) wird aufgrund einer Vereinbarung zwischen einem Land und der WHO eingerichtet und fungiert i. d. Regel weltweit. Die Hauptlast trägt das jeweilige Land. Die WHO kann, muss aber nicht zuschießen. Dagegen partizipieren am MZCC in Athen 11 Länder, sechs weitere sind assoziiert. Auch hier kommt der größte Beitrag vom Gastland, also von Griechenland. Die vertraglichen Mitgliedsländer leisten jedoch einen erklecklichen Zuschuss zum Budget, - örtlich und international. Die WHO in Genf verwaltet das Geld und beaufsichtigt das internationale Personal. Das WHO-MZCC ist also eine Art Mini-Organisation mit eigenem Haushalt und Kontrollgremium, dem "Joint Coordinating Committee (JCC)“.

Mir war klar, dass den Problemen des Mittelmeerraums nicht mit einem Netz von klassischen WHO-Zentren (WHO-CC) unter nationaler Aufsicht beizukommen ist, wie wir das in den hochentwickelten Ländern der nördlichen Hemisphäre praktizierten. Das nationale Beziehungsgeflecht, das sich um ein solches WHO-Zentrum im Entwicklungsland bilden würde, bliebe zu sehr auf das eigene Land und die Interessen einzelner beschränkt. Die Unterschiede der öffentlichen Dienste zwischen Nord und Süd waren so groß, dass für die internationale Zusammenarbeit auch in dieser Hinsicht besondere Vorkehrungen getroffen werden mussten. Die Funktionen eines Zoonosen-Zentrums betreffen aber nicht nur die Mittelmeerländer untereinander, sondern vor allem das Zusammenrücken der stark produktionsorientierten Veterinärmedizin in der Landwirtschaft und andererseits der gesundheitsorientierten Humanmedizin im Gesundheitsministerium innerhalb der Länder. Da war es schon sinnvoll, Länder durch ihren aktiven Beitrag in ein gemeinsames Aktionsprogramm fest einzubinden. Kein leichter Prozess - bei allem guten Willen.

Glücklicherweise gibt es im Mittelmeerraum unzählige Querverbindungen zwischen den Ländern und Disziplinen, die ein harmonisches Vorgehen erleichtern. Also suchten wir diese Gemeinsamkeiten "dort in der Welt, wo die Olivenbäume wachsen"! Klimaspezifische Infektionserreger und Parasiten, Lebensmittel und Speisen, Besonderheiten der Tierhaltung und der kulturelle Hintergrund sind natürliche Elemente für eine Zusammenarbeit. Dazu kommt Gemeinsames in der Entwicklung der Berufe. Ursprünglich kamen die medizinischen Wissenschaften mit arabischen Professoren von Nordafrika nach Südfrankreich und damit nach Europa. Heute noch ist die berufliche Verbindung beachtlich. Viele Tierärzte und Ärzte in Nordafrika wurden in Frankreich ausgebildet, viele Griechen in Italien und Spanien u.s.w.

Zunächst träumte ich von einem Schiff, das sich frei von Nationalität von Land zu Land bewegt und mit nötigem Labor- und Seminarraum ausgestattet ist. Symbolhaft sollte es auf traditionelle Weise (Odysseus' Spuren!) die Mittelmeerländer verbinden. Einer der großen griechischen Reeder zeigte Interesse. Wir kamen in unseren Verhandlungen ziemlich weit. Die laufenden Kosten waren aber ohne Vertrag mit einem Staatenverbund nicht abgesichert.

Bevor an den Staatenbund gedacht werden konnte, musste jedenfalls ein beispielhafter Kern geschaffen werden. Als Gastland und Gastort kamen für mich nur Griechenland und Athen in Frage. Historisch und vor allem kulturell war das der Schlüssel zum Mittelmeerraum und Abendland. Das MZCC war geboren. Erstes Personal wurde in den Siebziger Jahren von uns in Genf nach Athen gesandt. Unsere Speerspitze bestand aus einer pensionierten Sekretärin unserer Abteilung in Genf und Dr. McLennon, einem sehr erfahrenen Mikrobiologen aus Südengland, der wegen der Abschaffung seines Labors (Biowaffen!) in Zwangspension geschickt worden war und im britischen Gesundheitsdienst aus "politischer Correctness" keine Chance für weitere Verwendung hatte. Durch meine erste Sonderfunktion in der WHO war ich mit diesem Experten, seinen außergewöhnlichen Qualitäten und seinem Schicksal vertraut (siehe „Sonderfunktion: Sicherheitsmaßnahmen in Mikrobiologie und Genetik“).

Mit zwei griechischen Ärzten und zwei Tierärzten kümmerte er sich nun in Athen um den wissenschaftlichen Hintergrund und die praktischen Ziele eines MZCC. So entwickelte sich das "WHO Mediterranean Zoonoses Control Programme" mit seinem international wahrnehmbaren Kern in Athen.

Als nächstes kümmerte ich mich um den Aufbau eines tragfähigen Staatenbundes (siehe oben). Dazu gewann ich Dr. Violaki, Generaldirektorin für Infektionskrankheiten und Hygiene im griechischen Gesundheitsministerium. Dr. Violaki war eine außergewöhnliche Dame, international bekannt vor allem durch ihr beherztes Auftreten bei einer Flut- und Überschwemmungskatastrophe an Athens Küste. Über Jahrzehnte war sie Mitglied der griechischen Delegation in der Weltgesundheitsversammlung, - unter Gesundheitsministern wechselnder Parteien. Mit ihr bereiste ich die "schwierigen" nordafrikanischen Länder, um sie zur Mitarbeit zu gewinnen. "Schwierig", weil sie frankophon orientiert sind, während das MZCC als Primärsprache Englisch verwendet. Wir hatten Erfolg, aber auch so manchen Stress. Ich möchte nicht versäumen, hervorzuheben, dass Dr. Violaki durch Kompetenz, Beharrlichkeit und Bekanntheitsgrad über drei Jahrzehnte zur dauerhaften Entwicklung des MZCC wesentlich beigetragen hat. Ihre Ausstrahlung durchdrang die Administration Griechenlands genauso wie die der WHO. Für ein Jahr war sie sogar Vorsitzende der Weltgesundheitsversammlung. Dr. Violaki war Dauergast im MZCC und verstand sich mit allen Direktoren bestens, insbesondere mit Dr. Seimenis, der noch heute dort amtiert.

Große Unterstützung gewährten auch Deutschland und Italien, obwohl nicht formelle Mitglieder im "WHO/Mediterranean Zoonoses Control Programme" mit seinem MZCC in Athen. Zu meiner Zeit waren Experten der Bundesrepublik und ein Beamter des Bonner Ministeriums, Dr. Voigtländer, bei allen wichtigen Tagungen dabei, - auch als Gast und Berater im Kontrollgremium, dem "Joint Coordinating Committee". Häufig kamen auch Vertreter aus Italien, das etliche Fachtagungen finanzierte, insbesondere am "Istituto Superiore di Sanità" in Rom (Prof. Dr. A. Mantovani) oder am Istituto Zooprofilattico Sperimentale D'Abruzzo E Molise, in Teramo (Dr. V. Caporale). So ergab sich ein gesundes Umfeld für eine dauerhafte Einrichtung.

In meinen Reisepässen finde ich Sichtvermerke für mehr als 20 Einreisen nach Athen. Und das nur für die Zeit, in der solche Sichtvermerke für Deutsche noch erforderlich waren. Dazu kommen etliche Besuche in andere Mitgliedsländer des MZCC. Über die Jahre war ich bestimmt zehn Mal in Rom oder Teramo zu Tagungen oder Regierungsverhandlungen. Das war also schon eine handfeste internationale Aufbauleistung und barg sehr viel Neues in sich. Vor allem bedurfte es eines steten Kümmerers.