Das WHO/FAO Programm der vergleichenden Virologie 1967-1977

WHO/FAO

Bis in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurden Viren noch nach den von ihnen befallenen Organen gruppiert (dermatotrop, neurotrop, enterotrop, pneumotrop, haematotrop etc.) oder nach Symptomen (z. B. Pocken, Warze, Papillom, Hämorrhagie), nach Überträger (z. B. Arboviren) oder nach verursachter Seuche (z. B. Rinderpest, Schweinepest, Geflügelpest). Vor allem die Zellkulturtechnik ergab Viruskulturen von so hohem Reinheitsgrad, dass man das Material weiter konzentrieren und auf morphologische und chemisch-physikalische Eigenschaften untersuchen konnte. Gab es in ganz Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gerade mal 2 oder 3 Elektronenmikroskope, wurde in der 2. Jahrhunderthälfte damit jede Großforschungsanstalt und fast jedes mikrobiologische Universitätsinstitut ausgerüstet. Auch der Umgang mit Ultrazentrifugen entwickelte sich zur Routine. Dazu kamen neue, rasche und sehr spezifische immunologische Verfahren zur Feinbestimmung von Virustypen und Subtypen (z. B. Elisa-Test und monoklonale Antikörper). Und bald sollte schon die Zeit anbrechen, in der diese Techniken von gentechnischen und anderen molekularbiologischen Verfahren ergänzt oder gar überholt wurden. Folgerichtig brachte die Entwicklung Wissenschaftler aus Bereichen der Diagnostik, Epidemiologie und Grundlagenforschung zusammen: Mediziner, Veterinäre, Biologen, Physiker und Chemiker. In beschränktem Umfang spiegelte das Personal in der BFA in Tübingen diese Interdisziplinarität wider. Ich fühlte mich fast wie in einem Pasteur-Institut, in dem ich übrigens ein Diplom in Immunologie erworben hatte (Paris, 1965).

Mit meinem Wechsel 1968 vom Labor in Tübingen zum Schreibtisch in der Weltgesundheitsorganisation in Genf (WHO), eröffnete sich mir eine völlig neue Art, Forschungsprogramme und Einzelprojekte in großem Stil voranzutreiben. Dr. Martin Kaplan, mein großer Mentor und Chef der Abteilung für „Veterinary Public Health“ (VPH) führte mich in seine Vorhaben ein, die Gruppierung der Viren in Human- und Veterinärmedizin zusammenzufügen und nach den damals neuesten Erkenntnissen der Morphologie, Biochemie und Immunologie zu ordnen. Seiner Idee folgend und mit seiner stetigen Unterstützung zimmerte ich zunächst an einem Gerüst für die Zusammenarbeit von Arbeitsgruppen. 1973 umfasste die WHO/FAO Initiative schon 13 internationale Arbeitsgruppen mit über 100 Spezialisten, vorwiegend aus dem Veterinärbereich. Ein Koordinationskomitee traf sich da und dort in der Welt, um dieses rasch anwachsende Gebilde zu meistern. Die 13 Teams des WHO/FAO Initiative gingen bald in dem viel breiter ausgelegten „International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV)“ auf. Heute befassen sich 30 „Study Groups“ des ICTV mit der Klassifizierung von Familien und Genera der Viren von Wirbeltieren.

Nachzulesen in:

WHO/FAO Programme on Comparative Virology: Veterinary Record, October 20th, 434-440 (1973).

„The WHO’s Information System for animal Virus Dieases“: Bögel, K., A. Betts and N. Milouchine (1981) in Comparative Diagnosis of Viral Diseases: Kurstak, E. and C. Kurstak Eds. Academic Press, Vol. III, 393-414 (1981).