Sonderfunktion - Vorsitz der „European Working Party“ für Lebensmittelsicherheit in Brüssel 1990-1992

Sonderfunktion 1990-1992 (für ein Jahr)

1988 überraschte mich in Genf der Besuch von Lord Plumb, Vorsitzender des Europaparlaments (auch Vorsitzender des Britischen Bauernverbandes). Er bat die WHO und insbesondere mich persönlich, den Vorsitz eines noch zu gründenden Arbeitskreises zu übernehmen, der sich mit integrierter Qualitätssicherung entlang der ganzen Lebensmittelkette befassen soll – von Futtermitteln über die Tierhaltung, Schlachtung, Verarbeitung, Lagerung, Groß- und Einzelhandel, Küche bis zum Verzehr. Dazu bestanden gute Gründe. Qualitätssicherungsprogramme entlang Produktionsketten, kurz „Integrationen“ genannt, waren von Wissenschaftlern theoretisch entworfen und von Managern großer Lebensmittelkonzerne bereits im Aufbau. Sie unterhielten sogar eigene Laboratorien. Die Masse der kleinen und mittleren Betriebe lief Gefahr ins Hintertreffen zu geraten. Offensichtlich drohte ein Konflikt und da ruft man am besten jemanden von außen. Die Aufgabe passte wohl recht gut zu meinem Erfahrungsprofil. Abgesehen von der Ehre, reizte mich die Aufgabe am Ende meiner beruflicher Laufbahn. Ich sagte zu und flog jeden Monat für 2-3 Tage nach Brüssel. Über 40 mächtige internationale Interessenverbände bildeten dort „meine“ Working Party. Mir oblag es, die monatlichen Sitzungen inhaltlich und expertentechnisch vorzubereiten. Es gab eine Unmenge an Information aufzuarbeiten. Die Administration dazu übernahm der Verband der Europäischen Futtermittelindustrie. Die leichtere Arbeitsphase betraf die Definition der „Integration“ und die Archivierung bestehender Integrationen in Europa. Dann folgte die schwierigere Phase. Es galt, das Qualitätsspektrum der bekannten Integrationen zu erfassen und sie soweit auszuwerten, dass daraus klare Empfehlungen für die zukünftige Entwicklung abgeleitet werden konnten. Klar, dass die großen Lebensmittelkonzerne ihren Vorsprung wahren wollten. Sie fanden mein Arbeitstempo und die mir angeborene Ungeduld störend. Von einem mir unbekannten Personenkreis in dunklen Anzügen wurde ich auch bald zu einem äußerst exquisiten Essen eingeladen, an dem mir verdeutlicht wurde, dass meine Arbeit doch einen sehr langsamen Prozess beinhalte und ich die nächsten (monatlichen) Sitzungen um ein Jahr (!!!) verschieben solle. Die Nüsse, die es zu knacken galt, waren also wirklich hart. Trotz aller Hürden kam ich relativ rasch ans Ziel dieser komplexen Analyse. Mein neutraler Hintergrund als Tierarzt und WHO-Angehöriger war sehr hilfreich. Ich wurde mit reicher Erfahrung und vielen neuen Berufsfreunden belohnt.

Nachzulesen in:

„Integrierte Qualitätssicherung“: Bögel, K. und K. Stöhr: Deutsche tierärztliche Woschenschrift 101, 258-261 (1994).