Neuland und Entdeckerfreuden

Viren

Viren, Impfstoffe – 1958 bis 1968

Just zur rechten Zeit bekam ich 1958 eine Stelle an der Bundesforschungsanstalt (BFA) für Viruskrankheiten der Tiere in Tübingen. Die Virologie erhielt damals einen gewaltigen Auftrieb durch die Zellkulturtechnik. Zellen wurden mit Hilfe von Trypsin aus Organen gelöst und in Reagenzgläsern, Petrischalen oder größeren Flaschen zur Vermehrung gebracht. Das ersetzte Versuchstiere und versorgte uns mit virushaltigem Material in relativ reiner Form und großer Menge. Abends wuschen wir die Labortische und unsere Hände mit verdünntem Formalin, bevor wir uns durch Duschschleusen in den „reinen Teil“ des Instituts und somit in die normale Welt begaben. Wegen der Tierseuchen, mit denen wir zu tun hatten, waren die Vorsichts- und Isoliermaßnahmen ein Vielfaches größer als am Untersuchungsamt in Stuttgart. Entsprechend jäh waren auch die Reaktionen des Präsidenten der BFA, Professor Dr. Erich Traub, wenn etwas nicht seinen höchsten Anforderungen an Sicherheit und Leistung entsprach. Mit der für die damalige Zeit wohl höchsten Sicherheits- und Isolierstufe am Arbeitsplatz waren die Jahre in Tübingen eine sehr harte, gleichwohl erfolgreiche und schöne Zeit. Die Vorschulung in Stuttgart im Umgang mit Milzbrand und Tuberkuloseerreger kam mir jedenfalls zu gute.

In einer neuen Welt virologischer Technik bot sich mir in Tübingen reichlich Gelegenheit, bislang unbekannte Viren zu isolieren und bekannte Viren auf ihre Eigenschaften zu untersuchen oder gar in großem Ausmaß für die Entwicklung von Diagnostika und Impfstoffen zu „züchten“. Ich spezialisierte mich auf nicht-bakterielle Infektionen der Atemwege und des Verdauungstraktes bei Rindern. Ziel meiner Untersuchungen waren Virusinfektionen. Dabei stieß ich aber auch auf Chlamydien und Mycoplasmen. In 43 Publikationen und wohl ebenso vielen Vorträgen berichtete ich über rein experimentelle Arbeiten aus jener Zeit.

Nachzulesen u.a. in folgenden Publikationen:

„Isolierung und Charakterisierung eines Enterovirus des Rindes“: Bögel, K. und M. Mussgay, Zbl.Vet.Med. 7, 534-552 (1960). (Diese Arbeit führte mich zu einem internationalen Netzwerk von Forschern in der Human- und Veterinärvirologie.)

„Ein Rhinovirus des Rindes“: Bögel, K. und H. Böhm, Zbl.Bakt. I Orig. 185, 2-14 (1962). (Erstes Rhinovirus beim Rind, Stamm Sd 1, Internationaler Prototyp.)

„Ein Parainfluenza-3-Lebendimpfstoff für Rinder“: Bögel, K. und J. Liebelt, Zbl.Bakt. I Orig. 190, 322-333 (1963). (Meines Wissens nach ist das der erste Impfstoff mit abgeschwächtem, vermehrungsfähigem Virus, der ganzen Beständen intranasal appliziert wird. Auch die Art der Impfstoffprüfung über Virusausscheidung war neu.)

„Beziehung zwischen maternalen Antikörpern und Impferfolg nach der Vakzinierung des Kalbes mit Parainfluenza-3-Lebendimpfstoff“: Bögel, K. und J. Liebelt, Zbl. Bakt. I Orig. 191, 133-138 (1963). (Schlüsselbefund über humorale Antikörper und partielle Immunität gegenüber einem Schleimhautvirus (Schutz vor Erkrankung bei reduzierter Virusvermehrung, die jedoch ausreicht, eine aktive Immunität einzuleiten.)

„Über die Verbreitung eines Virus der Mucosal – Disease-Gruppe in Schafherden Süddeutschlands“: Bögel, K. Zbl. Vet. Med. 11, 687-692 (1964). (Meines Wissens erster Nachweis dieses Virus beim Schaf.)